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102 Sterbehilfeanträge von Schwerkranken auf Anweisung von Jens Spahn abgelehnt

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“…ausser vielleicht, wenn Jens Spahn etwas zu sagen hat…

Besonders Menschen die an Krebs erkrankt sind, müssen oft große Schmerzen und viel Leid ertragen. Nicht immer verursacht dieses ausschließlich die Krankheit selbst. Auch Behandlungsmethoden wie eine Chemotherapie sind eine enorme Belastung für den Körper und gehen häufig mit starken Nebenwirkungen und Risiken einher.
Ich habe den Verlauf meiner ersten Krebserkrankung in einem Fototagebuch dokumentiert. Das entstandene Daumenkino zeigt, wie mein Körper während der Chemotherapie zwar krebsfrei, aber von Tag zu Tag stärker vergiftet wurde und schwer gezeichnet war. Trotzdem war ich zum Glück weit weg von dem Leid und den Schmerzen, die manche Patienten ertragen müssen. Wie groß müssen die Ausweglosigkeit und die Schmerzen sein, dass man sich wünscht zu sterben und dafür um Hilfe bittet!?

Das Bundesverwaltungsgericht entschied im März 2017, dass schwerkranke Menschen in “extremen Ausnahmesituationen” gemäß dem Grundgesetzt das Recht haben selbst zu bestimmen, wenn, wann und wie sie aus dem Leben scheiden wollen. In diesem Kontext sei Ihnen das Recht auf Mittel zur Selbsttötung gewährt zu werden.
Das Gericht knüpfte diese Entscheidung an die Bedingung, dass der oder die Patient*in “seinen bzw. ihren Willen frei bilden und entsprechend handeln kann, es keine palliativ-medizinischen Alternativen gäbe und jeder Fall einzeln geprüft würde“. Wenn diese Bedingungen erfüllt sein, dürfe Patienten der Zugang zu einem Betäubungsmittel, das eine würdige und schmerzlose Selbsttötung erlaubt, nicht verwehrt werden. Dieses Bedingungen sollen sicherstellen, das eine „gewerbsmäßige Sterbehilfe“ wie sie in Deutschland verboten ist unterbunden wird.

Anfang der Woche habe ich mit Schrecken (aber ohne Erstaunen) im Radio gehört, dass 102 schwerkranken Menschen, die seit 2017 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Antrag auf Medikamente zur Sterbehilfe gestellt haben, auf die persönliche Weisung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn der Wunsch nach diesem Medikament und damit nach der Erlösung eines starken Leidens und damit einem würdevollen Tod verwehrt wurde. 24 Patienten die einen solchen Antrag gestellt hatten, sind während der Zeit des Wartens mittlerweile verstorben(…).
Da ich gerade das Ressort „Gesundheit“ und die damit verbundenen Entscheidungsträger mit besonderem Interesse verfolge, ist es nicht das erste Mal, dass ich bei den Ideen und Vorschlägen von Herrn Spahn das Gefühl habe, dass eine mangelnde Empathiefähigkeit und/oder ein gewisser Opportunismus dazu führen, dass sein Einsatz und seine Entscheidungen für (schwierige) Themen stark davon abhängen, ob er entweder selbst betroffen ist oder in anderer Weise Interesse an der Sache hat, aber selten, dass es um die Menschen geht. Gerade im Bereich “Gesundheit” sollte aber “der Mensch” im Mittelpunkt stehen.

Bei 102 gestellten Anträgen in 2 Jahren und einer Gesamteinwohnerzahl von 82,79 Millionen ist es eine Farce, dass trotz eines Urteils vom Bundesverwaltungsgericht und dem darin definierten „Bedingungswerks“ für solche Situationen ein einzelner Politiker ohne jegliche medizinische Bildung  eine Ablehnung dieser Anträge anordnen kann und so in meinen Augen direkt verantwortlich ist, dass Patient*innen in wirklich schlimmen Situationen der Wunsch nach einer Erlösung des Leidens und einem würdevollen Tod verwehrt bleibt.
Am 26.02.2020 verkündet das Bundesverfassungsgericht das Urteil zu dem seit 2015 geltenden Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe, auf das viele Betroffene aber auch Angehörige mit viel Hoffnung warten.
Das Verwaltungsgericht Köln hat das Bundesgesundheitsministerium zwischenzeitlich aufgefordert, seinen Umgang mit dem Thema “Sterbehilfe” transparenter zu machen.

Sehr geehrter Herr Spahn, die Würde des Menschen ist laut dem Grundgesetzt unantastbar, aber genau diese Würde nehmen Sie Menschen mit Ihrer Handlungsanweisung. Nur, weil man etwas kann sollte man es noch lange nicht tun und Macht sollte immer einhergehen mit dem Bewusstsein der Verantwortung, die man dadurch für andere trägt. Dieses Bewusstsein vermisse ich leider nicht zum ersten Mal bei Ihnen.