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Krankenkassen sollen für Fruchtbarkeitserhalt von Krebspatienten aufkommen

Sehr geehrter Herr Spahn,

(langsam entwickelt sich fast so etwas wie eine Brieffreundschaft, wenn auch eine einseitige…).

Am 13.12.2018 fand im deutschen Bundestag die 1. Lesung für das „Terminservice- und Versorgungsgesetz“ statt. Einer der Tagesordnungspunkte, der Ihnen nach eigener Aussage besonders am Herzen lag und viel Beifall einbrachte, war Folgender:
“Eine Gesetzesänderung herbeizuführen, die denjenigen Patienten mit einer Erkrankung, die eine keimzellenschädigende Therapie notwendig macht, Anspruch auf eine Kryokonservierung bzw. vergleichbare medizinische Maßnahmen sowie die Übernahme der dadurch entstehenden Kosten verschafft“.

Zunächst einmal: 
Ich finde diese Änderung wichtig, richtig und längst überfällig. Es ist eher erschreckend, dass man eine solche Forderung lobend beklatschen muss, statt zu hinterfragen, warum jene Kostenübernahme nicht längst Standard ist, insbesondere da dieses Thema durchaus widersprüchlich mit Ihrer Begründung zur Einschränkung/Abschaffung des Heilpraktikerberufes und den als Risiken angeführten Gründen steht.
Mein heutiges Anliegen ist darauf aufmerksam zu machen, dass es wichtig ist Menschen darin zu unterstützen mit den Folgen einer Therapie umzugehen, indem man Ihnen alle Möglichkeiten für beispielsweise eine solche Kryokonservierung gibt, jedoch müssen unbedingt ein paar essentielle Voraussetzungen bedacht und bestenfalls erfüllt werden.

Ich selbst musste 2014 im Alter von 33 Jahren innerhalb weniger Stunden entscheiden, ob ich die Entnahme eines Eierstocks zur Kryokonservierung kurz vor einer Chemotherapie durchführen lasse und dadurch ein Risiko eingehe, nämlich die für mich vermeintlich lebensrettende Chemotherapie verzögert zu beginnen. Die damals für mich nicht kalkulierbaren (Folge-)Kosten in Höhe von ca. 4.300 € (exklusive eventueller Folgekosten) und die im Verhältnis schlechten statistischen Erfolgswerte führten dazu, dass 
ich mich gegen die Kryokonservierung entschied. Zum Einen weil ich aufgrund meiner gesundheitlichen Situation (mit einer Krebserkrankung und den unvorhersehbaren Folgen von Krankheit und Behandlung) und meiner beruflichen Situation als Selbstständige dieses finanzielle Risiko nicht eingehen konnte und wollte.  Zum Anderen weil mein Krebs-Stadium recht weit fortgeschritten war und ich mein Überleben für mich wichtiger einordnete als eine spätere Familienplanung. Zudem hoffte ich, dass ich zu denjenigen Patientinnen gehören würde, die nicht durch eine Chemotherapie unfruchtbar werden.
Leider bleib es bei der Hoffnung und ich kam im Alter von 33 Jahren ca. 20 Jahre zu früh mit allen bekannten Nebenwirkungen in die Wechseljahre. (Anm.: Ein unerfüllter Kinderwunsch war und ist im Übrigen nicht die schlimmste Folge einer Behandlung, die in Ihren Augen im Vergleich zu einer ggfs. selbst gewählten Alternativbehandlung, „dem Patienten die Sicherheit gibt, keinen Schaden davon zu tragen“(…). )

Nun ist eine Kryokonservierung leider nur „die halbe Miete“: nämlich die Basis für eine spätere künstliche Befruchtung, für die gesetzliche Krankenkassen bisher nur unter sehr bestimmten Voraussetzungen, für Frauen bis 40, für bis zu drei Versuche, 50% der Kosten und nur sehr wenige Kassen 100% übernehmen.

Hinsichtlich der bisher geltenden Bedingungen wären dementsprechend folgende Fragestellungen zu berücksichtigen:

1. Voraussetzung: die künstliche Befruchtung muss hinreichende Aussicht auf Erfolg versprechen.
Frage: Wird geklärt, dass eine chemotherapeutische Behandlung nicht quasi per se als Grund angeführt werden kann, dass die Aussicht auf Erfolg nicht „hinreichend“ genug ist?

2. Voraussetzung: Regulär müssen beide Partner mindestens 25 Jahre sein, bei Frauen gilt 40 als Höchstalter.
Frage: Wird dieses Zeitfenster zumindest nach unten hin angepasst oder richtet sich die Einschränkung danach, dass es heutzutage statistisch gesehen unüblich ist, unter 25 Jahren Kinder zu bekommen? Eine solche Erkrankung verändert Menschen und das, was für sie im Leben wichtig ist. War man mit einer tödlichen Krankheit konfrontiert, kann es durchaus passieren, dass man nicht erst Karriere machen und mit 35 Jahren Kinder bekommen möchte.

3. Voraussetzung: Die Eigenbeteiligung für künstliche Befruchtungen in Höhe von 50% gilt nicht als Zuzahlung und wird daher nicht bei der Berechnung der Belastungsgrenze berücksichtigt. Sollte diese Regelung bestehen bleiben entscheidet erneut der Geldbeutel, ob ehemalige Krebspatienten die Chance auf Kinder für sich nutzen können: Recherchen nach sind 10.000€ Behandlungskosten durchaus keine Seltenheit.
Frage: Ist beabsichtigt, dieses zu ändern und die Selbstbeteiligung als Zuzahlung anrechenbar zu machen?
4. Voraussezung: Man muss verheiratet sein, unabhängig davon, wie lange die Beziehung schon besteht.
Frage: Für homosexuelle Paare gelten trotz der „Ehe für alle“ im Bereich der Adoption noch andere Regelungen als für heterosexuelle Paare. Wie ist die Planung für homosexuelle Paare in diesem Fall?

5. Voraussetzung: Schon bei Frauen ohne eine vorhergegangene zeltschädigende Behandlung sind nicht selten 3 Befruchtungsversuche oder mehr notwendig.
Frage: Gibt es Pläne die Zahl der bezuschussten Versuche für ehemalige Krebspatientinnen zu erhöhen?

Für mich stellt sich leider nicht mehr die Frage, ob ich eines Tages eigene Kinder haben werde. Auch muss ich aufgrund der deutlich zu früh eingesetzten Menopause mit weiteren Spätfolgen wie z.B. Osteoporose rechnen. 

Vor dem Hintergrund, was Ursache und was Wirkung ist, ist Folgendes wünschenswert:
Einerseits den Fokus der Gesundheitspolitik generell mehr darauf zu legen Menschen zu unterstützen, die selbst Verantwortung für Ihr Leben und Ihre Gesundheit (und damit auch das Risiko zu erkranken) übernehmen, statt ihnen die Wahlmöglichkeit, welche Behandlung sie ihrem Körper zukommen lassen möchten und welche Konsequenzen sie bereit sind zu tragen, zu diktieren.
Andererseits weniger „digital“ – sprich schwarz oder weiss – zu denken. Denn wenn künstliche Befruchtung schon bei zuvor gesunden Menschen bekannter Weise oft mehrere Versuche bis zum Erfolg benötigt, dann ist erst recht davon auszugehen, dass Menschen, deren Körper zuvor mit einer Chemotherapie behandelt wurden, selten mit der Standardanzahl an Versuchen das gewünschte Ergebnis erzielen.

Freundliche Grüße
Käthe Golücke