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A bis Z – Tipps für Angehörige

Der Umgang mit einem Krebskranken und unsere Angst vor der Angst.

Jeder zweite Mensch erkrankt in seinem Leben in der heutigen Zeit an Krebs.

Um ehrlich zu sein finde ich das bei der Art wie wir leben, arbeiten, essen, unsere Umwelt behandeln, unsere Nahrungsmittel modifizieren uvm. extrem erstaunlich, dass die Quote nicht noch viel höher liegt. Dass das nicht der Fall ist, liegt wohl vor allem daran, dass die Natur bzw. unser Körper all den Mist den wir verzapfen oft extrem gut kompensieren kann. Leider ist nicht jeder Körper gleich widerstandsfähig. Auch ist immer die Kombination des Ganzen zu betrachten, die nicht selten darüber entscheidet, ob jemand krank wird oder nicht. Obwohl immer mehr junge Erwachsene und auch Kinder an Krebs erkranken ist “Krebs” in der Wahrnehmung vieler Menschen oft eine “Alterskrankheit”.

Kaum etwas beherrschen Menschen so gut wie die Fähigkeit, sich selbst etwas vorzumachen. Dazu gehört, das Thema “Tod” maximal weit weg zu schieben und so zu leben, als wären wir unsterblich.
Wir rauchen, trinken Alkohol, schieben uns unterwegs schnell irgendwas zu essen rein, oftmals bestehend aus industriell verarbeiteten Dingen. Immer mit dem beruhigenden Gedanken im Unterbewusstsein, dass Menschen heutzutage statistisch gesehen mindestens 80 Jahre alt werden und nur alte Menschen an Krebs erkranken.

Ab dem Moment, wenn jemand im Freundeskreis erkrankt, treten auch im Umfeld des Erkrankten beklemmende Gedanken in den Vordergrund: “Die ist in meinem Alter”, “Die hat doch nicht geraucht und immer Sport gemacht” etc. Plötzlich steht man vor einem Freund der erkrankt ist und spürt eine diffuse Angst, dass es einen selbst auch treffen kann und dass man nicht so unverwundbar ist wie man es gern wäre. Die Realität stellt sich – je nachdem, für welchen Weg sich der Betroffene entschieden hat – durch den Geruch von Krankenhaus, das Piepsen medizinischer Geräte oder dem schockierenden Moment, wenn man den Freund erstmals mit “Chemoglatze” sieht meist sehr schonungslos dar.

Ich weiß, dass so eine Situation auch oder vielleicht vor allem für Freunde und Angehörige aus verschiedenen Gründen beängstigend ist. Es ist ein Thema, dem man am liebsten nicht begegnen möchte. Ich weiß auch, dass man niemanden zwingen kann, sich mit so einer Situation und den damit verbundenen Ängsten zu konfrontieren und für einen Erkrankten da zu sein.

Als ich erkrankte, war es, neben der Therapie, das Schlimmste für mich, dass viele der Menschen, mit denen ich bis zur Diagnose sehr engen Kontakt hatte plötzlich verschwunden sind. Die einen direkt, als sie davon erfahren haben, manche, nachdem sie mich im Krankenhaus gesehen haben. Für alle die, die den Kontakt abgebrochen haben, hat sich ihr Freundes- oder Bekanntenkreis um eine Person reduziert. Für mich, die nicht wegen eines Verbrechens im Gefängnis saß, sondern “unverschuldet” im Krankenhaus lag, verschwanden innerhalb kürzester Zeit erschreckend viele Menschen, von denen ich geglaubt hatte, dass ich sie genau jetzt an meiner Seite hätte. Diese Tatsache hat mich sehr mitgenommen. In einer Zeit, in der man eigentlich seinen Fokus auf die Genesung legen sollte.

Interessanter Weise gab es aber auch Menschen, mit denen ich nie sonderlich eng befreundet war und die plötzlich einfach da waren. Auch dieses Phänomen konnte ich beobachten und möchte es an der Stelle anführen, denn für diese Menschen bin ich unendlich dankbar.
Jeder Mensch hat Angst. Angst ist in der Evolution ein Garant dafür, dass wir überlebt haben. Aber es gibt Ängste, die wir fühlen, auch wenn wir nicht in Lebensgefahr sind und manchmal ist es wichtig, sich diesen Ängsten zu stellen. Manchmal müssen wir stark sein, für uns, aber auch für andere und immer wächst man daran, wenn man sich seinen Ängsten stellt, statt vor ihnen davon zu laufen.

Angst haben ist kein Zeichen von Schwäche! Sich mit Angst zu konfrontieren und diese auszuhalten aber definitiv ein Zeichen von Stärke!


Unser ABC für Angehörige soll Euch Sicherheit geben und dabei helfen, einen guten Umgang mit der Situation generell, aber auch mit einem erkrankten Freund oder Partner zu finden:

A wie Angst. Angst zu haben, wenn es um eine tödliche Krankheit geht, ist normal. Man darf sie haben, man sollte sie zulassen. Wenn sie da ist, hilft es darüber zu sprechen – mit anderen Freunden und/oder mit dem Erkrankten selbst.

B wie Beziehung. Eine schwere Erkrankung hat immer auch Auswirkungen auf eine Beziehung. Sowohl auf freundschaftliche, vor allem aber auch auf partnerschaftliche Beziehungen. Der gesunde Partner muss viele seiner Bedürfnisse zurückstecken. Auf der anderen Seite muss der Betroffene in vielen Situationen um Hilfe bitten. Das fällt nicht immer leicht und kann sogar unangenehmen sein. Auch Dinge wie Berührungen und Sex werden sich verändern, weil sie vielleicht schmerzhaft sind oder einfach nicht das Bedürfnis danach besteht. Versuchen Sie dennoch, Ihre Beziehung mit schönen Dingen wie zum Beispiel Unternehmungen etc. zu beleben. Helfen Sie Ihrem Partner, dass er sich z.B, trotz einer Chemoglatze schön findet und spürt, dass es sich lohnt, sich für Sie schön zu machen.

C wie Chemobrain. Nicht nur körperlich fühlt man sich während einer solchen Behandlung schwach, auch der Kopf scheint plötzlich um 50 Jahre gealtert zu sein. Haben Sie Verständnis, wenn Ihr Gegenüber sich an Gespräche nicht erinnert oder Dinge vergisst. Es hat nichts mit Unaufmerksamkeit zu tun. Man ist zum Teil wie dement und allein dieses Wissen ist bereits eine große Belastung. Haben Sie Verständnis und fühlen Sie sich nicht gekränkt, wenn Ihr Gegenüber etwas vergessen hat das geschehen ist oder besprochen wurde.

D wie “Da sein”. Wenn man eine Krebsdiagnose bekommt, dann ist das häufig für einen selbst und das gesamte Umfeld ein Schock. Oft bekommt man zu Beginn so viele Nachrichten, dass man es gar nicht schafft, darauf zu antworten. Vor allem wenn man sich für eine Chemotherapie entscheidet, leidet man mit Fortschreiten der Behandlung immer stärker unter den Nebenwirkungen und kann aus verschiedensten Gründen nicht mehr wie gewohnt am Alltag teilnehmen. Dadurch wird man oft „vergessen“, weil man von der Bildfläche verschwindet. Menschen, die sich konstant melden und signalisieren, dass sie „da“ sind, haben einen großen Anteil am Wohlbefinden des Erkrankten.

E wie Essen. Krankenhausessen ist nicht immer das leckerste und ganz bestimmt nicht das gesündeste. Einige Krankenhäuser bieten an, dass Angehörige und Freunde Essen mitbringen können, welches aufbewahrt wird, bis der Patient es essen möchte. Bitte vermeiden Sie tierische und zuckerreiche Produkte und greifen Sie lieber zu frischem Gemüse und Salat. Auch wenn der Betroffene sich für den alternativen Weg entscheidet, können Sie ihm helfen. Schließen Sie sich doch der gesunden Ernährung an, zumindest wenn sie gemeinsam Zeit verbringen. Es wird auch Ihnen nicht schaden 😉

F wie Fahren. Besonders während einer ambulanten Chemotherapie unterstützen Sie den Patienten, wenn Sie ihn zu den Terminen begleiten und eventuell den Taxiservice übernehmen. Die Krankenkasse zahlt zwar auch die Taxikosten, die größere Unterstützung ist aber, wenn man einen Freund an seiner Seite hat.

G wie Glatze. Jeder Krebspatient geht anders damit um, wie sich sein Aussehen durch die Behandlung der Krankheit verändert. Es ist nicht Ihr Kopf, also versuchen Sie, dass nicht Sie ein größeres Problem mit einer Chemoglatze haben, als der Betroffene selber (siehe auch „Normalität”).

H wie Hilfe. Hilfe kann sehr vieles sein und oft fällt es nicht leicht danach zu fragen. Abhängig davon, ob sich der Patient in einer Strahlen- oder Chemotherapiebehandlung befindet oder sich begleitend oder sogar ausschließlich für den alternativen Behandlungsweg entschieden hat. Hilfe kann schon sein, dass Sie nicht in Gegenwart des Patienten das essen, was er gerade nicht essen darf oder sollte. Es könnte aber auch bedeuten Einkaufen zu gehen oder bei Alltagsaufgaben zu unterstützen.

I wie Infektionen. Als Chemopatient hat man häufig ein so schwaches Immunsystem, dass man sich vor Risiken, die „in der Luft liegen“, schützen muss. Dazu tragen Patienten während der so genannten Aplasie – der Phase, in der die Körperabwehr so gut wie nicht vorhanden ist – häufig Handschuhe und Mundschutz. Dieses ist zum Schutz der Patienten und nicht zum Schutz der Umgebung der Patienten. Krebs ist nicht ansteckend und Sie müssen um diese Menschen keinen Bogen machen. Bitte beachten Sie in dieser Zeit besonders die Hygienerichtlinien, desinfizieren Sie sich die Hände, gehen Sie maximal zu zweit in einen Raum mit einem Chemopatienten und lassen Sie Blumen als Mitbringsel zu Hause. Während ich meine alternative Therapie gemacht habe, waren im übrigen ständig alle um mich herum krank, nur ich nicht….

J wie JA! Helfen Sie, das Leben zu bejahen!

K wie Kaffee. Kaffee macht sauer und das unterstützt den Krebs. Auch wenn es „schön“ ist, bei einem Treffen gemeinsam einen Kaffee zu trinken, so schaden Sie demjenigen und das ist ja nicht die Intention. Auch Tee kann lecker sein und erfüllt den gleichen sozialen Effekt.

L wie Lachen. Klar ist die Situation traurig und furchteinflößend, aber zum einen ist Lachen eine gute Medizin und zum anderen hilft es besser durch diese Zeit zu kommen. Helfen Sie Ihrem Freund oder Partner, nicht das Lachen zu verlieren. Komik ist Tragik in Spiegelschrift!

M wie Mitbringsel. Oftmals denkt man an „Nervennahrung“. Solange diese nicht aus Süßigkeiten besteht, ist das eine tolle Idee! Greifen Sie zu Nussmischungen, bereiten Sie Gemüsesticks mit Avocado oder Humus vor, oder besorgen Sie8 eine Kokosnuss oder Lesestoff!

N wie Normalität. Jeder Krebspatient weiß, dass es für das Umfeld schlimm ist zu sehen, wie man leidet. Ich musste oft mein Umfeld trösten, statt andersherum. Ich konnte besser mit der Situation umgehen, als viele meiner Angehörigen und Freunde. Das Schlimmste ist allerdings, wenn alle ständig um einen herumeiern und mit mitleidigen Blicken anschauen. Schenken Sie dem Betroffenen Normalität!

O wie Offenheit. Es ist nicht schlimm, wenn Sie Hemmungen haben und nicht immer wissen, wie Sie mit der Situation und folglich mit dem Erkrankten umgehen können. Vor allem, wenn der Betroffene jung ist oder evtl. in einem ähnlichen Alter wie Sie selbst, macht einem die Situation oft noch mehr Angst. „Wenn es den trifft, dann kann es auch mich treffen“. Sprechen Sie offen darüber, wenn Sie mit etwas nicht umgehen können. Es gibt nichts Schlimmeres für einen Patienten als das plötzliche Untertauchen eines wichtigen Menschen, weil dieser unsicher ist. Gerade in schwierigen Situationen ist ein stabiles, soziales Umfeld wichtig.

P wie Psychoonkologische Hilfe. Krebspatienten und ihr Umfeld befinden sich in einer Ausnahmesituation, auf die man in der Regel nicht vorbereitet wurde. Nehmen Sie Möglichkeiten war, sich von einem Psychoonkologen unterstützen zu lassen. Viele größere Krankenhäuser bieten diese Hilfe, sowohl für Patienten als auch für Angehörige und Freunde, an. Zum Teil sogar kostenlos!

Q wie Qual. Oft ist diese Zeit eine Qual. Zumindest ist es immer ein Kampf. Mitleid hilft aber nie weiter. Um die Situation etwas zu verbessern, können Sie versuchen, Dinge zu finden, die Schmerzen oder Übelkeit lindern. Helfen Sie den Fokus auf die Zukunft zu legen.

R wie Rituale. Ob mit oder ohne Chemotherapie, Krebspatienten leiden oft unter Antriebslosigkeit. Sich zu einem Spaziergang oder sogar Sport aufzuraffen, um dem Körper Bewegung zu verschaffen und damit klinisch erwiesen die Genesung positiv zu beeinflussen, fällt alleine häufig schwer. Die Ritualisierung eines Spaziergangs, z.B. vor dem Schlafen, hilft neue Muster zu lernen und fördert die Genesung.

S wie Stärke: Auch Sie müssen jetzt stark sein. Manchmal ist es schwerer, einen Freund, Angehörigen oder Partner leiden zu sehen, als selbst zu leiden! Vergessen Sie nie: Dieser Mensch befindet sich völlig unverschuldet in der vielleicht schwierigsten Situation seines Lebens. Er braucht Sie mehr denn je. Bevor Sie also aus einem Gefühl der Überforderung den Kontakt abbrechen, überlegen Sie, ob Sie wirklich Ihr Bedürfnis der Situation zu entgehen vor sein Bedürfnis nach Unterstützung stellen wollen. Stellen Sie sich vor, dass Sie evtl. nicht der Einzige im Umfeld des Erkrankten sind, der mit diesen Ängsten reagiert. Isolieren Sie den Erkrankten nicht! Aus Ihrer Sicht wäre es ein Mensch weniger in Ihrem Leben, aus Sicht des Betroffenen sind es schnell mehr als eine Hand voll!

T wie Tiere. Während einer Chemotherapie wird Patienten oft der Kontakt zu Haustieren abgeraten. Ich habe mich nicht daran gehalten und mit angemessenem Hygieneverhalten gute Erfahrungen gemacht. Damals war der Kater einer Freundin ein wichtiger Unterstützer. Er spürte, dass es mir nicht gut ging und ab dem Moment in dem ich keine Haare mehr hatte, legte er sich oft um meinen Kopf um diesen zu wärmen. Heute habe ich selbst einen Kater und einen Hund. Der Kater bringt Ruhe in mein Leben, der Hund sorgt für meine tägliche Portion Bewegung an der frischen Luft.

U wie unterstützen. Jeder Besuch, jede Postkarte, jede Nachricht gibt Kraft auch wenn man nicht immer antwortet. Nicht immer ist einem nach Reden (zum Beispiel aufgrund von Übelkeit), aber das Gefühl nicht allein zu sein, ist schon sehr hilfreich.

V wie Verständnis. Seien Sie verständnisvoll und nehmen Sie Dinge nicht persönlich!

W wie Wissen. Je mehr auch Sie sich informieren, umso mehr können Sie Ihren Freund oder Partner unterstützen.

Y wie YOLO. You only live once. Kaum etwas rüttelt Menschen so aus ihrer Alltagslethargie wie Katastrophen, ein Unfall, eine schwere Krankheit oder sonstige extreme Einschnitte im Leben. Schieben Sie Dinge nicht auf die lange Bank. Wenn Sie jemanden besuchen möchten, dann tun Sie das und wenn Sie mit ihm reden möchten, rufen Sie ihn an.

Z wie zuckerfrei. Alles was Sie Ihrem Partner oder Freund zubereiten, kaufen oder mitbringen, sollte zuckerfrei sein. Machen Sie ihm es leichter und lassen Sie nichts herumstehen, was verlockend sein könnte. Krebs ist zuckerhungrig und kann das Verlangen danach stärken. Auch das ist eine Art der Unterstützung!